COLOSSAL YOUTH / JUVENTUDE EM MARCHA

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Stop the faking (Vanda Duarte)

Fuck this mountain … I rembered what Mr Lubitsch said, that the day you find out how to shoot a mountain, you will shoot a man. Uh-oh. I will never shoot a mountain. (Pedro Costa)

 

Erst schwarz und dann weiß ein Messer wie eine Fackel im Dunklen woran sich das Licht entzündet dann wieder schwarz für einen Augenblick Spinnen unter der Decke Schatten unter Schatten unsichtbar wie der Wechsel von Hell Dunkel Chiaroscuro im Stile Rembrandts Texturen grau-grüner Schlieren Maserungen käferfarbener Mauerflecke einer heruntergekommenen Wohnung Phantasie und Begeisterung der Bewohner im Erkennen von Formen Figuren ästhetisches Vergnügen Hingabe an Licht und Schatten schwarzer Horizont den ein weißer Vogel kreuzt dem Heraufbeschwören früherer Geister und Stimmen der Sprengkapsel wiederaufkommender Bilder nicht widerstehen zu können dann nichts mehr vielmehr der modrige Geruch feuchter Zimmerwände wie aufgehäufte schwarze Erde nass-klumpig die Verwirklichung eines kollektiven Traumes (oder Traumas?) einer abgehängten Generation in der Manifestation des Realen Schritt für Schritt jene tieferen Schichten freizulegen die Positionen wiederkehrender Erneuerung

Das richtet sich also gegen Platon gegen Platons Lüge wonach der Arbeiter nicht die Zeit und die Fähigkeit besitzt etwas anders als seine Arbeit zu verrichten Eisen in der Seele der einen und Gold in die der anderen als hätte es nicht – die demütigende Absurdität, jeden Tag um diese Arbeit zu betteln, in der sich das Leben verliert – als hätte es nicht das vollkommen zweckfreie Schweifen des Blickes des Schreiners Louis Gabriel Gauny gegeben jene Aufhebung einer vorgegebenen Raum-Zeit-Struktur des Latrinenreinigers Ponty des Mörtelrührers und Schuhputzers Claude Genoux allein durch ihre wesensfremden Tätigkeiten jener Aufteilung des Sinnlichen das sind die entwendeten Stunden der Nacht Niederschriften der Träume Absage jeglichen Elitismus der Sprache eines gewendeten Handschuhs ein verschmutzter rosa Saum gestohlener Augenblicke eines Überschusses an Energie Arbeiterpoesie nächtlichen Rausches eines plebejischen Deliriums das Auge im Sprung im Schlaf auf einer Seite

In der Fundação Gulbenkian zwischen Rubens Bildnis der Helena Fourment und Van Dycks Bildnis eines Mannes unser Held Ventura
Ein Museumswärter der die Fußspuren Venturas der über die Hintertreppe des Museums das Gebäude verläßt mit Hilfe eines Taschentuchs entfernt
Ventura der das Meer überquert Frösche gejagt und während seiner Arbeit vom Gerüst gefallen ist
Lächeln und Stimme Venturas befinden sich auf der Höhe seines Schicksals die Welt in seinen Augen in seinem Blick verschanzt das Genießen eines malerischen Horizonts der Langeweile zu entkommen dem Krebs der Seele

Die schwarzen Löcher zwischen Ventura und Pedro C.

Geschichten mit anderen Geschichten Räume mit anderen Räumen verknüpft jenes von Medikationen und Drogen hervorgerufene ((wie angelockt (in Wahrheit ist alles Dokumentation) oder initiiert wirkende)) intermittierende Dasein der Bewohner Fontainhas (Fontainhas ist zerstört es ist so als hätte es außer im Film niemals existiert und die weißen Wände ihrer strahlend aseptisch neuen Behausungen sind ihr Gefängis ihre Hölle geworden) immer wieder dieser Brief den Ventura mal beschwörend rezitiert (ganz Tragödiendichter) mal ins Leere spricht Passagen aus dem Leben von Emigranten Cap Verdischen Einwanderen Abgehängten einer Gesellschaft im Wechsel mit Briefpassagen Robert Desnos’ aus dem Lager Flöha an seine Frau Yuki
Die Größe des Autodidakten und die Fähigkeit der Unfähigen überhaupt alle Wechselwirkungen zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen gestohlener Zeit wie man sie aus Die Nacht der Proletarier kennt „ich lerne jeden Tag neue Worte, schöne Worte, uns auf den Leib geschneidert, wie ein Seidenpyjama“
Die im Konzentrationslager Theresienstadt in einer Pralinenschachtel Marke ‚Marquise de Sévingé‘ aufbewahrten Manuskripte bei der Befreiung vermisst die vermutlich ein Mithäftling an sich genommen hat im Glauben es befänden sich Pralinen darin und weil ihm die Schachtel so wichtig und er sie sucht verpaßt er den ersten Zug der ihn aus Theresienstadt herausbringt Man schenkt ihm im Lager ein paar Socken welch unerhörter Luxus die jedoch wie sich später herausstellt mit Typhus infiziert sind woran der Dichter kurze Zeit darauf erkrankt und stirbt
Desnos stirbt nicht wegen einer Schachtel Pralinen sondern weil die Nazis ihn 1944 in ein Konzentrationslager stecken Das Nazihandbuch teilt immer noch weiße goldene Engel und schwarze Dämonen teilt alle weiteren aktualisierten Erlasse (Ergüsse) am schwarzen Brett nämlich als ihm bewußt wird dass er folglich etwas Entscheidendes verloren etwas dass niemand ihm jemals wieder zu geben vermag versteht dass die Lücke oder Leerstelle in seinem Leben unauffüllbar dieses einmal Entwendete worauf sich sein Leben in allem Tun bezieht und er nicht bereit ist oder zu erkennen vermag wie ohne es weiter zu machen fordert und erklärt Desnos unter Punkt 3 einer öffentlichen Bekanntmachung dass man fest zur Revolution entschlossen ist und es keine Möglichkeit zu handeln gibt von der er nicht notfalls Gebrauch zu machen imstande ist wir sind Spezialisten der Revolte
Er träumt vom englischen König der einen Sportanzug aus grauem Cheviot trägt um sich mit ihm zu duellieren Desnos verbeugt sich geht tief in die Knie aber er denkt nicht daran duelliert man sich doch nicht mit Königen man guillotiniert sie Er sieht die Bilder aus Locus Solus vor sich den abgetrennten Kopf Dantons Wir haben so Desnos weiter den Polizisten Feiglingen und Schwachköpfen offen den Kampf angesagt Soviel ich weiß ist diese Spezies noch nicht ausgestorben und was machen unsere Erben Sie glänzen nicht gerade

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